PIANONews 3 / 2024

PIANONews 3 / 2024

LESEPROBE:

Evolution als Musiker

Marc-André Hamelin

Von: Carsten Dürer

Als wir den kanadischen Pianisten Marc-André Hamelin Mitte des Jahres 1998 erstmals in PIANONews vorstellten, war er in Deutschland noch ein absoluter Geheimtipp. Dabei war er schon damals ein mehr als fleißiger Pianist, der weltweit Konzerte spielte und CDs eingespielt hatte. Darunter vielfach unbekannteres Repertoire von Charles Ives, William Bolcom, Stefan Wolpe oder Leopold Godowsky. Erst mit Einspielungen von Alexander Skrjabins Klaviersona-ten und Werken von Franz Liszt wurde man auch in Deutschland mehr und mehr auf ihn aufmerksam. Und das Klavierfestival „Raritäten der Klaviermusik“ in Husum hatte ihn längst als einen besonderen Pianisten entdeckt. Mittlerweile ist er seit 30 Jahren mit seinem englischen Label Hyperion verbunden und hat über 60 CDs eingespielt. Zuletzt wieder einmal ein mit seinen eigenen Kompositionen. Grund genug für uns, ihn wieder einmal zu treffen und ihn nach den Entwicklungen der vergangenen Jahre zu befragen.


Es ist ein verregneter Februar-Tag, als wir Marc-André Hamelin in Amsterdam, an einem Mittag vor einem Abendkonzert im Muziekgebouw, treffen. Am Abend hat er die sogenannte „Concord“-Sonate von Charles Ives, Robert Schumanns „Waldszenen“ und Maurice Ravels „Gaspard de la nuit“ aufs Programm gesetzt. Allein dies zeigt schon, dass Hamelin in allen Sparten und Genres der Musikliteratur zu Hause ist.
Als wir uns zum Gespräch setzen, erzähle ich ihm vom Amsterdamer „Geelvinck Pianola Museum“, das ich an diesem Tag besuchte. Und sofort leuchten seine Augen auf. Er ist ein begeisterter Sammler von Klavierrollen und wusste – trotz seiner vielen Besuche in der niederländischen Stadt – bislang nicht, dass es einen solchen Ort auch in Amsterdam gibt. Schon sein Vater sammelte Klavierrollen und besaß ein Klavier als Abspielinstrument. Hamelin gibt zu, dass es diese Rollen waren, die ihn für das Klavier begeisterten, als er klein war.
Aber die Themen, über die wir uns unterhalten wollen, betreffen vor allem seine Art des Denkens, Arbeitens und seine Tätigkeiten auf den Bühnen und im Aufnahmestudio.

PIANONews: Sie haben nun 30 Jahre lang dem Label Hyperion in England die Treue gehalten und 60 CDs für das Label eingespielt …

Marc-André Hamelin: … es sind schon mehr als 60 CDs. Es sind wohl eher 63 oder 64.

PIANONews: Da ja beständig neue Einspielungen von Ihnen hinzukommen. Das sind mindestens zwei CD-Einspielungen pro Jahr.

Marc-André Hamelin: Mmmmhhh, ja, aber ich habe natürlich auch für andere Labels aufgenommen. Es gibt ungefähr 24 auf anderen Labels. Eingeschlossen die letzte Aufnahme der Turangalila-Sinfonie von Olivier Messiaen, eine Live-Einspielung mit dem Toronto Symphony Orchestra, eine Live-Einspielung.

PIANONews: Dieses Werk ist natürlich eine Herausforderung für den Pianisten …

Marc-André Hamelin: Absolut. Man muss sich an vielen Stellen im Klaren darüber sein, dass man nicht gehört wird. Natürlich wird die Balance auf einer Aufnahme etwas korrigiert, aber live ist das kaum möglich.

PIANONews: Das ist ein wenig so wie bei dem Klavierkonzert von Ferruccio Busoni, wo der Pianist hart arbeitet, aber oft nicht zu hören ist.

Marc-André Hamelin: Ja, ich erinnere mich: Eines der letzten Male, als ich dieses Busoni-Konzert spielte, war im Wiener Musikverein. Als ich dort für mich selbst im Saal probte, hatte der Flügel einen so großen und voluminösen Klang, dass ich dachte, dass es eine Freude sein wird, dieses Werk in diesem Saal zu spielen. Aber als das Orchester hinzukam, war es das Gleiche: nur für große Besetzung wurde alles durch die Saalakustik extrem verstärkt. [er lacht]

CD-Einspielungen und der Markt

PIANONews: Kommen wir zurück auf die CD-Aufnahmen, die Sie beständig anfertigen. Ist es immer noch wichtig für Sie, CDs als physische Tonträger aufzunehmen?

Marc-André Hamelin: Sicher. Es ist sehr wichtig für die Erweiterung des Repertoires, oder um es noch genauer zu sagen: die Erweiterung des Repertoires, das kein Standard ist. Natürlich ist da noch viel zu entdecken. Aber ich spiele auch weitaus konventionellere Werke, also auch Standard-Repertoire. Erst im vergangenen Oktober habe ich die „Hammerklavier“-Sonate von Beethoven aufgenommen, die ich mit der Sonate Opus 2 Nr. 3 gekoppelt habe. Diese Einspielung wird im kommenden Oktober erscheinen. Zudem werde ich auch das Klavierquintett von Dvorák mit dem Takacs Quartett aufnehmen. Gekoppelt mit Klavierquintett von Florence Price, das war die Grundidee. Ich selbst hätte diese beiden Werke vielleicht nicht zusammengebracht, aber mit dem Takacs Quartett nehme ich einfach alles auf, auch wenn es das Telefonbuch wäre … [er lacht]

PIANONews: Aber das, was Sie sagen, bezieht sich vor allem auf das Repertoire, was ich verstehe. Meine ursprüngliche Frage zielte darauf ab, ob es noch wichtig ist, das physische Produkt CD auf den Markt zu bringen – für Sie als Künstler.
Marc-André Hamelin: Oh … Ich mag die Idee, dass der Hyperion-Katalog nun online verfügbar ist und viele Hörer erreicht, die keine physischen CDs kaufen. Ich denke, dass der Hyperion-Katalog für viele Menschen eine Offenbarung ist. Dieser Katalog war ja zuvor nie online im Streaming verfügbar und ist fast peinlich an Reichtum, da er so viele wunderbare Einspielungen enthält, dessen Repertoire so gut wie nie von anderen Labels angefasst wird. Da binde ich mich selbst mit ein, aber wenn man sieht wieviele Aufnahmen da vorhanden sind, die nirgendwo anders verfügbar
sind …

PIANONews: Ja, beispielsweise allein die Serie „The Romantic Piano Concerto“ …

Marc-André Hamelin: Genau. Und das ist eine sehr willkommene Erweiterung des Streaming-Katalogs.

PIANONews: Solange Hyperion noch selbst verantwortlich ist für den weiteren Katalog.

Marc-André Hamelin: Nun, ich denke, dass der Schritt von Hyperion, zu Universal Music zu wechseln, sehr wichtig war. Und ich denke, dass es immer noch eine Zuhörerschaft gibt, die das physische Produkt kaufen werden – ich bin einer von diesen. [er lächelt] Ich bin nicht gegen Streaming, aber ich liebe das physische Produkt.

Das gesamte Interview lesen Sie in der Ausgabe 3-2024 von PIANONews.

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