Soziale Frage: Klavierspielen

Liebe Klavierfreundinnen und -freunde,

in einer Zeit, in der alles über das Internet funktioniert, in der viele Menschen selbst ihre Speisen mittels App bestellen oder in China die Regierung mittels Internet Sozialpunkte an ihre Bürger vergibt, um herauszufinden, wie und was sie treiben und ob sie beispielsweise würdig sind, eine Wohnung oder einen Kredit zugewiesen zu bekommen, scheint ein Instrument wie das Klavier wie eine Mammut aus einer vergangenen Zeit. Die Menschen haben sich daran gewöhnt auf einen Bildschirm zu schauen. Und wenn sich da nichts bewegt, ist es ohnehin schon recht bald langweilig, ganz zu schweigen, dass immer weniger Menschen Papier vor sich haben.

Schauen wir auf die Kinder und Jugendlichen von heute, wachsen sie genau mit diesem Selbstverständnis auf: Smartphonem, Tablet, die neuesten Apps und Spiele, YouTube und Facebook oder Instagram. Da wird es auf dem Schulhof schwer, den Mitschülern zu erklären, dass man am Nachmittag Klavierunterricht hat oder ein paar Stunden am Tasteninstrument üben muss. Selbst in meiner Jugend war es schon schwer, den Freunden das Spielen oder „Abhängen“ am Nachmittag abzusagen, da ich üben wollte. Es wurde zwar akzeptiert, aber man war irgendwie dann doch ein Außenseiter. Der soziale Druck, der dadurch entsteht, geht an einem Kind oder Jugendlichen nicht vorbei. Vielleicht gibt es noch den ein oder anderen, der das bewundernswert findet, da auf einem Schulfest derjenige dann einmal ein Stück in der Aula vorspielen kann, aber ein „schräger Vogel“ ist man doch eher mit der Liebe zum Klavierspiel als würde man Fußball spielen (einem fast ähnlich antiquierten Sport im Vergleich zu sogenannten Game-Summits und -Battles).

Das bemerkenswerte dabei ist: Immer mehr Kinder und Jugendliche – auch in Deutschland – lernen das Klavierspiel. Wie passt das zusammen? Nun, alle anderen Arten von Betätigungen haben ein weitaus größeres Medien-Echo als das anscheinend so antiquierte und wenig spannende Klavierspiel. Leider! Denn über fast alles wird berichtet, fast alles wird im Internet diskutiert, besprochen und hat Fankreise auf YouTube und Facebook. Aber nicht so das Klavierspiel. Das sollte man glatt die Kinder ermutigen einen Youtube-Channel für das eigene Klavierspiel und was es damit auf sich hat, zu installieren. Oder eine Facebook-Gruppe zu bilden, in der man sich mit den Gleichaltrigen über das Hobby Klavierspielen austauscht. Damit wäre man dann über das eigene Interesse auch gleich in der Community der modernen Medien angekommen und würde nicht das Klavierspiel als zusätzliche Sache neben all den anderen modernen Einflüssen sehen.

Es ist eine soziale Frage, die dabei aufkommt: Wie wichtig ist das Klavierspiel in der Öffentlichkeit, wie wird es wahrgenommen. Wird es schon von den Eltern der Kinder, die Klavier lernen, in den Fokus gerückt oder allein als wichtiger Lerneffekt betrachtet. Nur wenn das soziale Umfeld für das Klavierspielen stimmt, wird es sich wieder stärker in das Bewusstsein bringen lassen.

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