Konkurrenzdenken

Liebe Klavierfreundinnen und -freunde,

es gibt sie noch, die alten Haudegen, die glauben, dass jeder, der in ihr Territorium einbricht, auch gleichzeitig ein Konkurrent ist. Dabei werden sehr schnell Feindbilder kreiert. In früheren Zeiten gab es Hersteller von Klavieren und Flügeln, die sich zwar immer wieder auf Messen trafen, die sich in Verbänden organisierten und über Gemeinsames sprachen, aber beim Auseinandergehen oftmals sogleich wieder darin verfielen, den anderen als deutlichen Konkurrenten am Markt zu beurteilen. Auch unter Klavierfachhändlern gab es dieses Denken stark ausgeprägt, da jedes verkaufte Instrument des anderen bedeutete, dass man vielleicht selbst eines weniger verkaufte. Mittlerweile, auch in Zeiten, die uns mehr und mehr zum Gemeinsamen mahnen, ist dieses Denken weniger stark ausgeprägt – oder nicht?

Nun, wie schon angedeutet: Es gibt dieses Denken noch immer. Aber ist das wirklich noch zeitgemäß? Natürlich ist Deutschland immer noch ein wirkliches Klavierland im Vergleich mit anderen – gerade auch europäischen – Ländern. In Deutschland ist die Anzahl der Hersteller und Vertriebe von akustischen Klavieren und Flügeln immer noch am größten, auch wenn die Produktionszahlen längst rückläufig sind und einige der größeren Produzenten in Bezug auf die Besitzverhältnisse nicht mehr in deutscher Hand sind. Auch die Anzahl von selbstständigen Klaviertechnikern und Klavierfachhändlern ist immer noch bemerkenswert groß. Dass dies natürlich auch ein Konkurrenzdenken bedingt, steht außer Frage. Aber auf der anderen Seite ist dieser Teil der Musikinstrumentenbranche vielleicht im Umsatz recht gut, aber nicht in Bezug auf die Stückzahlen. Also sollte man sich doch etwas überlegen, sollte doch einmal schauen, was vielleicht ein Mitbewerber (um den Begriff Konkurrenz einmal neudeutsch auszutauschen, da er mittlerweile negativ belastet zu sein scheint) anders oder besser macht, um sich daran ein Beispiel zu nehmen.

Der engere Schulterschluss von Gleichgesinnten sollte weitaus ausgeprägter sein in einer so überschaubaren Branche. Vor einiger Zeit hat sich eine Anzahl von freien Steinway-Händlern zusammengeschlossen, um sich beständig auszutauschen und sich gemeinsame Aktionen auszudenken. Alle berichten von interessanten und durchweg positiven Gesprächen und Eindrücken, die sie dabei gewinnen. Und immer wieder bestätigen Hersteller wie Händler im Klaviermarkt, dass sie aufgrund des anstrengenden Tagesgeschäfts oftmals „betriebsblind“ sind, und kaum die Zeit haben, über ihren tagtäglichen „Tellerrand“ hinwegzuschauen.

In Krisenzeiten wie wir sie nun drastisch vor Augen haben, sollte man sich überlegen, ob man sich nicht enger zusammenschließt, ob man nicht erkennen sollte, dass man gemeinsam mehr vollbringen kann. Denn eines ist sicher: Alle arbeiten in die gleiche Richtung. Alle Hersteller und Händler von Klavieren und Flügeln wollen nichts anderes als Musik und Freude in die Welt bringen. Dazu braucht es Kraft und Geduld, denn oftmals „sparen“ viele der möglichen Käufer in solchen Krisenzeiten gerade daran, was sie vordergründig als „unnötige Ausgabe“ betrachten. Dass dies natürlich ein kurzfristiges Denken ist, sollte jedem klargeworden sein, der nun erkannt hat, dass eine Einstellung jeglicher kultureller Live-Aktivitäten zu einer Verarmung von sozialem Miteinander zur Folge hat. Das Klavierspiel, die Auseinandersetzung mit einem Lehrer, mit Gleichgesinnten, das Spiel selbst und das Hören von Klavierspiel von der Bühne haben positive Auswirkungen – für einen selbst und für den sozial-ökonomischen Sinn. Und genau in solchen Momenten sollte man sich überlegen, ob man den anderen Hersteller oder Händler als Konkurrenten sehen sollte, oder als möglichen Partner, von dem man gegebenenfalls sogar lernen kann.

Image