Klassik und Jazz – Nischen verlassen

Liebe Klavierfreundinnen und -freunde,

es ist schon bemerkenswert, dass die Jazz-Musik zwar lebendig ist wie lange Zeit nicht mehr, aber dennoch ein noch stärkeres Nischendasein führt als die klassische Musik. Dabei sind beide Musik-Genres doch schon längst nicht mehr getrennt voneinander. Alle erinnern sich, dass Komponisten wie Maurice Ravel, Igor Strawinsky und andere bereits vom Jazz beeinflusste Werke schufen, die heute zu Klassikern des Kernrepertoires für klavier gelten. Ein George Gershwin hat den Jazz dann endgültig im Land, in dem Jazzmusik groß gemacht wurde – den USA – in die Konzertsäle getragen. Eine „Rhapsody in Blue“ oder seine „Preludes“ sind Standardwerke der Klassiker, obwohl sie schon eigentlich aus den Elementen des Jazz entsprungen sind. Viele andere wären noch zu nennen: Ein Friedrich Gulda spielte beide Genres und komponierte wunderbare Werke, die klar dem Jazz nahestanden. Und heutzutage ist ein Komponist wie Nikolai Kapustin ein bei Klavierwettbewerben und in Konzertprogrammen immer wieder anzutreffender Musikschaffender, der formal klassische Musik im Gewand des Jazz schuf.

Und auch die Jazzer integrieren immer häufiger die Klassik in ihre Gestaltungen sogenannter freier Musikausübung im Jazzstil. Einige Arbeiten mit Sinfonieorchestern zusammen, andere mit Einzelmusikern aus dem klassischen Bereich. Als traditionell kann man bereits die Beeinflussung von klassischer Musik auf den Jazz bezeichnen, denn spätestens seit Jacques Loussier sich swingend den Bach-Werken genähert hat, sind zahllose Jazzer dazu übergegangen, klassische Musikwerke als Ausgangspunkt ihrer eigenen Improvisationsideen zu nehmen.

All dies zeigt, dass sich Klassik und Jazz längst angenähert haben, sich gegenseitig beeinflussen, sich nicht ausschließen. Viele Konzerthäuser laden auch Jazzer in ihre großen Säle ein, um dem Publikum vor Ohren zu führen, wie europäischer Jazz heutzutage klingt. Sicherlich ist dies auch den immer rarer werdenden Jazz-Clubs anzukreiden, die aus monetären Gründen bereits in den 1990er Jahren immer stärker auf andere Formate wie Club-Nächte und Disco-Abende setzten.

Was das alles bedeutet? Nun, Klassik und Jazz führen in unserem Land ein Nischendasein, wenn man diese Musikgenres einmal mit denen des modernen Pop vergleicht. Nischen können aber gestärkt werden, wenn man sich zusammentut, um gemeinsam größer zu werden – und auch größeres Publikum anzusprechen. Da die grenzen ohnehin schwimmend sind, haben nur wenige Klassik-Fans ohnehin keine „Angst“ vor Jazzmusik und Jazz-Liebhaber sollten sich ebenfalls stärker öffnen, damit ihre Musik weiterlebt und die kleine Nische verlässt, in der sie sich befindet. Gemeinsam kann man immer etwas mehr erreichen. Warum also eine Deutsche Jazz Union und ein Deutscher Musikrat, der sich kaum mit dem Jazz beschäftigt, warum nicht ein gemeinsames Dach, unter dem man stärker agieren kann?

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