Aldo Ciccolini (1925–2015) Ein Vertreter ohne Kultstatus

Liebe Klavierfreunde und -freundinnen

am 1. Februar erreichte uns die Meldung, dass Aldo Ciccolini, der große Pianist und Lehrer, verstorben ist. Das ist ein von viel zu wenigen Klavierenthusiasten beachteter Verlust. Denn mit ihm verliert die Klavierwelt einen weiteren Vertreter einer Generation von Künstlern, die eine Art von Weitblick und Wissen in sich trugen, die fast unwiederbringlich verloren scheint. Aldo Ciccolini war am 15. August 1925 in Neapel geboren und besuchte zuerst das Konservatorium seiner Heimatstadt, wo er auch schon bald ab 1947 als Lehrer zu unterrichten begann. 1949 gewann er den „Marguerite Long – Jacques Thibaud-Wettbewerb“ in Paris und blieb in der Folge dieses Wettbewerbs in Frankreich. Er machte vor allem mit seiner unvergleichlichen Interpretation französischen Repertoires von Satie, Debussy, Ravel und Saint-Saëns auf sich aufmerksam, was bewies, wie sehr er sich mit dem seiner neuen Heimat identifizierte.

Zwischen 1971 und 1989 unterrichtete er am Conservatoire in Paris. Dort faszinierte er seine zahlreichen Studenten vor allem mit seiner Intuition, mit seiner Warmherzigkeit und seiner Güte. Dabei vermochte er vor allem die Individualität seiner Studenten zu fördern, ohne jemals eine strikte Vorgabe für eine Interpretation zu befehlen. Seinen Werdegang und sein Denken hat er in diesem hier vorliegenden Buch niedergeschrieben. Doch die Frage, die im Raum stehenbliebt: Wie kann man das Erbe dieser großen Pianisten aufrecht erhalten? Nun, die Zeiten haben sich verändert, immer mehr junge Künstler streben auf die Bühnen, suchen nach ihren eigenen Ausdruckformen und nach neuen Ideen, sich einem Publikum in persönlicher Weise mit Werken der vergangenen Jahrhunderte zu präsentieren. Und gerade darin liegt die Veränderung: viele der jungen und jüngeren Künstler wollen vor allem sich und ihre Persönlichkeit präsentieren, denken aber zu wenig an das, wofür sie eigentlich auf die Bühne gehen – die Komponisten und ihre Werke einem Publikum darzubieten. Der Interpret steht heute vielfach im Vordergrund, nicht das Werk und der Komponist. Ciccolini war weit davon entfernt, sich in den Vordergrund zu stellen, wie viel Vertreter seiner Generation. Der Star-Kult der Pianisten hatte zwar schon seit langer Zeit eine Tradition, spätestens seit einem Horowitz oder einem Richter. Doch aufgrund der Ausbildung und dem Umfeld, in dem sich diese Künstler befanden, wurde der Kult um ihre Person nur aufgrund der Interpretationen, die sie lieferten möglich. Heute ist das Umfeld der Künstler oftmals gleich zu Beginn daran interessiert, die Person auf der Bühne in den Fokus zu stellen. Und das kommt dem Ego der meisten Künstler entgegen …

Diese Aussagen sollen nicht verurteilen, nur darauf aufmerksam machen, dass wir die Werke der Komponisten, deren Medium die Pianisten sind, nicht zu sehr in den Hintergrund gedrängt sehen dürfen. Natürlich muss man heute das Profil eines Künstlers schärfen, da es so viel mehr von ihnen gibt, als noch vor Jahrzehnten. Doch der Blick auf die Garde der großen alten Pianisten zeigt, dass sie ihr Profil über ihr Spiel schärfen konnten, nicht über die Zurschaustellung von Eigenwilligkeiten …

In diesem Sinne sollten wir das Gedenken an einen Pianisten wie Aldo Ciccolini aufrecht erhalten. Uns bleibt nur zu sagen: Am 1. Februar 2015 verlor die Welt nicht nur einen großartigen Musiker und Pianisten, sondern auch einen Humanisten und Vordenker wie ihn die Welt nur selten gesehen hat.

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