Pianonews 01 / 2023

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„Ich finde es besser, ein Kammermusiker zu sein.“

Vadym Kholodenko

Von: Isabel Herzfeld

Der Gewinn des Van-Cliburn-Wettbewerbs in Texas 2013 bescherte ihm den Durchbruch. Da war Vadym Kholodenko bereits 26 Jahre alt und „ein erfahrener Musiker, der mitten im Leben stand“, wie er selbst ein bisschen augenzwinkernd sagt. Mittlerweile ist der ukrainische Pianist ein überaus gefragter Musiker, dessen Tourneen ihn in die USA, durch Westeuropa, nach Japan, Australien und China führten. Doch er geht seine Karriere ganz gelassen an, und so trifft man ihn durchaus auch auf Veranstaltungen abseits der klassischen Glamour-Events. Unsere erste Begegnung fand vor fünf Jahren bei den Spectrum-Concerts Berlin statt, wo Kholodenko sich mit dem noch ganz spätromantischen Klavierquintett von Béla Bartók als ebenso versierter wie sensibler Kammermusiker erwies. „Ein frühes Meisterwerk“, meint der Pianist, „das leider so gut wie nie gespielt wird.“ Und er hat auch gleich eine Geschichte dazu zu erzählen: „Bartók selbst wollte das Stück nicht veröffentlichen, weil er es für viel zu romantisch hielt. Also war auch die Partitur nicht mehr zu finden und lange verloren geglaubt. Es war Ernst von Dohnányi, der das Quintett aus dem Gedächtnis rekonstruierte und damit für die Nachwelt rettete.“ Das weitgespannte, vorurteilslose Interesse für Musik aller Art ist typisch für Kholodenko, der auch mit eigenen Arrangements und eigens für Mozarts Klavierkonzert Nr. 21 geschriebenen Kadenzen hervortrat und damit auf große Begeisterung stieß. Es führte ihn auch zum Festival „Raritäten der Klaviermusik“ in Husum, wo er noch vor seinem Auftritt Zeit für unser Gespräch fand.

„Inseln der Freiheit“

„Ehrlich gesagt hatte ich von diesem Festival noch nie etwas gehört“, meint Kholodenko, der in Deutschland noch nicht sehr häufig aufgetreten ist. „Es war Peter Froundjian, der künstlerische Leiter, der an mich herangetreten ist. Sein Interesse für selten gespielte Klaviermusik hat mich sofort angesprochen, weil man ja meistens, wenn man auf Tournee ist oder in Konzertreihen spielt, von den Veranstaltern meistens um die üblichen, häufig gespielten Programme gebeten wird. Ich verstehe auch vollkommen, dass man sein Angebot nach dem Geschmack der Leute aufbaut, die die Karten kaufen. Andererseits sind es Inseln der Freiheit, wenn einem erlaubt wird, etwas Neues zu spielen. Es ist eine Sache, die Nachfrage des Publikums zu befriedigen, eine andere, dem Publikum etwas Neues zu präsentieren und damit seinen Geschmack zu verändern.“

In Husum ging das allerdings nicht ganz glatt. Aufgrund eines Missverständnisses war Kholodenkos Programm viel zu lang geraten: Frederic Rzewskis monumentaler Variationen-Zyklus „The People United Will Never Be Defeated“ stand neben Beethoven-Variationen, der Schubert-Sonate in Es-Dur von 1817 und der 1. Sonate von 1990 des australischen Komponisten Carl Vine, die sich noch auf sehr eigene Weise an der Tonalität abarbeitet. „Doch allein Rzewski hätte über eine Stunde gedauert“, meint der Pianist, und so musste das zwischen musikalischer und politischer Avantgarde changierende Stück, für das sich neuerdings Igor Levit einsetzt, das aber auch in nicht minder interessanten Aufnahmen von Marc-André Hamelin und Kai Schumacher vorliegt, einer Komposition des Briten Thomas Adès weichen. Zum Glück hat auch Kholodenko die Variationen aufgenommen – leider zu spät, um sie noch den Komponisten kurz vor seinem Tod hören zu lassen. Die Aufnahme ist soeben erschienen und den Menschen „einer freien, unabhängigen Ukraine“ gewidmet.

An Adès reizt Kholodenko, dass Klaviermusik vollkommen aus dem Rahmen des Üblichen herausfällt. „Wenn man den ersten Blick in die Partitur tut, glaubt man, das ist nicht für Klavier geschrieben. Das ist eine andere Art von Logik. Es entstehen Klänge, die man nicht beim Klavier vermutet – ein Instrument, das man zu kennen glaubt, verwandelt sich total.“ Ohne dass, wie das in der Avantgardemusik gerne gehandhabt wird, die Saiten oder der hölzerne Korpus des Flügels einbezogen werden, ist durch raffinierte Pedaltechniken manches zu hören, was man eher der menschlichen Stimme oder einem Blasinstrument zuordnen würde.

Auch an der Schubert-Sonate, die der erfahrene Hörer vielleicht nicht als „Rarität“ empfinden würde, interessiert Kholodenko der Klang, der aus dem Experimentieren kommt: „Die Sonate wurde ursprünglich in Des-Dur geschrieben, eine Tonart, die einfach ganz anders klingt. Man kann in der Partitur die Stelle sehen, an der Schubert abgebrochen hat, er begann dann noch einmal ganz neu. Wenn man beabsichtigt, das auf einem historischen Klavier zu spielen, würden sich auf jeden Fall ganz andere Farben ergeben, und ich versuche das auch ein wenig auf den modernen Flügel zu übertragen.“ Kholodenko verfügt über außergewöhnliche Anschlagskünste, eine aus dem Leisen heraus aufgebaute Klangsensibilität, die die Härten vieler moderner Instrumente vergessen lässt.

Schnell sind wir ganz allgemein bei musikalischen Vorurteilen, die zur Reduzierung unserer Konzerterfahrungen auf Bekanntes oder sogar Erlaubtes beitragen.

Das gesamte Gespräch mit Vadym Kholodenko lesen Sie in Ausgabe 1-2023 von PIANONews.

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