Pianonews 05 / 2014

5-2014

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Julius Drake

„Die natürlichste Art des Musikmachens.“

Von: Carsten Dürer

Der Engländer Julius Drake ist einer der Pianisten, die niemals in der ersten Reihe genannt werden, sondern meist klein auf den Plakaten: Julius Drake spielt meist im Duo mit Sängern. Dennoch ist dieser Kammermusikpianist einer der meistbeschäftigten Pianisten weltweit und wird heutzutage in einem Atemzug mit Pianisten wie Benjamin Britten, Gerald Moore, Geoffrey Parsons oder Graham Johnson genannt, den großen Liedbegleitern Großbritanniens. Doch das liegt sicherlich mehr an der Tradition selbst als an Julius Drakes Willen, in dieser Linie zu stehen, wie wir in einem spannenden und interessanten Gespräch erfuhren.

PIANONews: Sie sind 1959 in London geboren. Wie sahen Ihre ersten Gehversuche mit dem Klavier aus?

Julius Drake: Ich habe das Klavierspiel begonnen, als ich sieben Jahre alt war, und habe es immer gemocht. Ich mochte den Klavierunterricht, den ich bekam, sehr und ging dann letztendlich mit 12 Jahren auf eine Musikschule, eine Art Spezialschule für Musik. Das war gut, da wir dort viel Zeit zum Üben bekamen, worin ich immer gerne meine Zeit investierte. Auf dieser Musikschule blieb ich, bis ich 16 Jahre alt war. Dann nahm ich mir zwei Jahre, um intensiv zu üben, und als ich 18 Jahre alt war, ging ich auf das Royal College of Music. Das war dann, als ich erstmals Kammermusik spielte. Bis dahin hatte ich mich nur auf das Klavier-Solorepertoire konzentriert. Ich hatte in meiner ersten Kammermusikprobe eine ganz klare Eingabe: Das ist es, was ich machen will, ich will niemals mehr solo spielen, sondern Kammermusik.

PIANONews: War diese Kammermusik in den obligatorischen Kammermusikkursen am Royal College of Music?

Julius Drake: Nein, ich studierte in der Solo-Klavier-Klasse. Aber ich wusste auf einmal, dass ich kein Solist sein will. Und das, obwohl ich bis dahin nichts anderes gemacht hatte: Ich habe alle Beethoven-Sonaten gespielt und alles andere auch, was man studiert, wenn man ein Solist werden will.

PIANONews: Haben Sie denn auch Erfahrungen als Solist auf der Bühne sammeln können?

Julius Drake: Ja, die Musikschule gab einem viele Möglichkeiten, aufzutreten. Ich denke, dass ich sehr viel Glück hatte, denn seitdem habe ich niemals wieder solo Klavier gespielt, sondern mein Leben lang Kammermusik. Ich habe das Klarinetten-, das Cello- und das Violin-Repertoire gespielt … Mit 21 Jahren verließ ich das College und habe seither mein Leben als Kammermusik-Pianist bestritten. Irgendwann in meinen frühen 20er Jahren war ich besessen vom Lied-Repertoire, das ich bis dahin eigentlich nicht gekannt hatte.

PIANONews: Gab es da jemanden, der Sie in dieser Richtung beeinflusst hat?

Julius Drake: Nicht wirklich. Es war kein Sänger, den ich hörte, und der mich in diese Musik verliebt machte. Nein, ich wurde mir dieses Lied-Repertoires bewusst und der ganzen Welt dieser Musik, die ein weiteres Element hinzufügt – und das sind die Worte. Die Tatsache, dass es Gedichte sind, die da vertont sind, und dass diese Gedichte oftmals in einer anderen Sprache geschrieben sind. Ich mochte die sprachliche Seite darin und auch die Verbindung mit den Worten. Und wenn man mit einem Sänger arbeitet, dass man dann als Pianist genauso wie der Sänger die Worte interpretiert. Ich hatte – und habe es immer noch – ein wunderbares Duo mit dem Klarinettisten Nicholas Daniel. Wir haben sehr viele Konzerte gespielt. Da er irgendwann den BBC-Preis erhielt, hatten wir viele Auftritte. Und so haben wir ein Programm erarbeitet, das als Motto die Welt der Tiere hatte. Und als Gast haben wir einen Schauspieler oder einen Sänger eingeladen. Und auf diese Weise habe ich Sänger meines Alters eigeladen, um mit uns aufzutreten. So begann ich das Repertoire besser kennenzulernen und auch die Sänger.

PIANONews: Da man sagt, dass Sie die große Traditionslinie von Lied-Pianisten wie Gerald Moore und Graham Johnson fortführen – fühlen Sie sich in dieser Traditionslinie und haben Sie jemals Unterricht in Lied-Begleitung genommen?

Julius Drake: Ich bewundere Graham Johnson und ich kenne ihn. Aber ich hatte private Stunden bei Geoffrey Parsons, dem großen Lied-Pianisten. Das war auch in meinen frühen 20er Jahren. Er hat mich auch ermutigt mit Sängern zu arbeiten. Einer der jungen Sänger, die ich damals traf, war Ian Bostridge … da war ich Mitte 20.
Vielleicht war die Obsession mit diesem Repertoire auch verbunden mit dem Wunsch meiner Mutter, Sängerin zu werden, was aber nicht möglich war, da es damals noch keine Stipendien gab. Ja, vielleicht ist es irgendwie in meinen Genen. Aber ich erinnere mich auch an Konzerte, in denen Geoffrey Parsons spielte und bei denen ich dachte: Das muss ein wunderbares Gefühl sein, dieses Repertoire zu spielen. Und ich erinnere mich auch, dass ich Menahem Pressler im Beaux Arts Trio spielen sah und dachte: Das ist das, was ich machen will, das ist es, was ich liebe: die Kommunikation. Diese Kommunikation mit Musikern, darum geht es. Und ich speziell denke auch, dass es keinen Unterschied gibt zwischen Stimme und Klavier oder Violine und Klavier. Es ist eine Form von Kammermusik. Und die besten Ergebnisse erzielt man, wenn sich der Sänger ebenso dem Pianisten gegenüber als Partner fühlt wie der Pianist dem Sänger gegenüber. Ich glaube nicht an diesen Begriff ‚Vokal-Begleiter‘. Ich denke nicht, dass es ein gutes Wort dafür ist, um zu beschreiben, was man tut. ‚Kammermusik-Pianist‘ ist ein weitaus besseres Wort, um das zu beschreiben.

PIANONews: Man sollte eigentlich immer von einem Duo sprechen.

Julius Drake: Genau, und das ist es auch, wenn man es gut macht. Und wenn man es nicht gut macht, dann ist es halt kein Duo. Wir sind gefangen in diesem Begriff ‚Begleiter‘, als würden wir unseren Job nicht gut machen. Das gibt es in keinem anderen Beruf. Es gibt so etwas wie Begleiter, aber wenn es solche sind, dann machen sie ihren Job nicht gut. Der Sänger muss aber genauso denken, also, dass man kein Begleiter, sondern ein Partner ist.

PIANONews: Ist das manches Mal ein Problem?

Julius Drake: Nicht nach meiner Erfahrung. Die besten Sänger sind auch natürliche gute Musiker. Und sie fühlen die Musik und verstehen, wie viel Ausdruck im Klavierspiel liegt. Und sie denken nicht, dass man nur Füllmaterial spielt.
PIANONews: Aber das Publikum will immer den Sänger im Vordergrund sehen …

Julius Drake: Ja, aber wenn man beispielsweise zu einem Violin-Klavier-Abend geht, dann sollte es eigentlich noch deutlicher sein, dass es ein Duo ist. Aber wenn ein Geiger wie Maxim Vengerov spielt, dann denken die Leute, dass Vengerov spielt und ein Pianist die Stellen dazwischen ausfüllt. Ich denke, dass die Leute sich mehr anstrengen sollten klarzustellen, dass es halt nicht so ist. Einer, der dies tut, ist Yo Yo Ma, der mit meiner guten Freundin Katheryn Stott spielt. Er achtet darauf, dass man beide auf den Fotos sieht, er geht immer beiseite, um klarzustellen, dass es eine Partnerschaft ist. Natürlich gibt es das auch bei Sängern. Und wenn man einmal darüber nachdenkt, dann schaut man auf das Gesicht des Sängers in einem Liederabend, da der Sänger die Worte ausdrückt. Das sollte auch so sein, und man sollte nicht auf den Pianisten schauen. Man sollte der Musik zuhören und auf das Gesicht des Sängers schauen, der den Worten Ausdruck verleiht.

PIANONews: Aber ist das wirklich so wichtig, das Gesicht des Sängers zu sehen? Was ist in diesem Fall mit Aufnahmen von Liedern?

Julius Drake: Ich mag Aufnahmen sehr, aber es ist nun einmal etwas ganz anderes. Aber wenn man in einen Liederabend geht, dann hat man halt dieses Extra, dass man das Gesicht des Sängers sehen kann. Das ist ein Element, das man in einer Aufnahme verliert.

PIANONews: Ist es aber nicht sogar wichtig, gerade wenn man die Sprache des Liedes versteht, dass man nicht auf das Gesicht des Sängers schauen muss und die Musik als Ausdruck allein genießen kann?

Julius Drake: Ich verstehe. Aber wenn man die ideale Situation haben will, dann muss man auf kein Programmheft schauen, da es die Muttersprache ist, die die Lieder bieten. Dann würde man zudem auf einem guten Platz im Saal sitzen, bei dem man beides gut hört, den Pianisten und den Sänger. Zudem wäre man nah genug an der Bühne, um den Ausdruck im Gesicht des Sängers zu sehen. Das ist das Optimale. Das bedeutet nicht, dass man nicht ein tolles Erlebnis haben kann, wenn man nicht den besten Sitz im Saal hat oder auch einer Aufnahme zuhört. Das kann man, aber das Optimum ist anders.

PIANONews: Haben Sie die wichtigsten Sprachen erlernt, die man im Liedbereich antrifft?

Julius Drake: Ich habe gelernt, sie auszusprechen. Das ist wichtig, denn man kann nicht die Worte am Klavier richtig ausdrücken, wenn man nicht versteht, was sie bedeuten. Man muss wissen, wo die Vokale und die Konsonanten liegen und wo der Akkord dann hineinkommt. Darüber sollte man nicht nachdenken müssen, sondern es muss natürlich geschehen. Ich spreche aber kein Tschechisch, auch wenn es tolle Lieder gibt.

PIANONews: Aber Sie können die ursprünglichen Gedichte in der Originalsprache lesen?

Julius Drake: In Französisch, Italienisch, Spanisch, Deutsch und Englisch, ja. Es wäre schwer, das zu tun, was ich tue, wenn ich nicht Deutsch sprechen würde. Und so habe ich viel Zeit in deutschsprachigen Ländern verbracht. Und Französisch habe ich bereits in der Schulzeit gelernt. Ich bin aber nicht talentiert in Sprachen, ich liebe sie aber. Es ist aber mehr die Kultur der Sprache als die Sprache selbst, die wichtig ist. Das fasziniert mich und das bereichert mein musikalisches leben. Und das ist es wahrscheinlich, warum ich die meiste Zeit meines Lebens in der Welt des Liedes verbringe.

PIANONews: Haben Sie aufgrund Ihrer Erfahrung den Eindruck, dass ein Komponist wie Schumann beispielsweise tatsächlich in seiner Instrumentalmusik auch die Sprache reproduziert, die er für die Lieder verwendet hat? In Bezug auf die Phrasierung?

Julius Drake: Ich denke, jeder Mensch repräsentiert seine Muttersprache. Es gibt etwas Natürliches in der gesamten Kultur der Sprache. Und so wie Musik immer eine Kommunikation ist, kommuniziert man auch mit Worten. Und Schumann ist ein gutes Beispiel dafür, dass die Synthese von Musik und Gedichten sehr stark vorhanden ist. Er schrieb in seinen frühen Jahren all seine Klavier-Zyklen und dann – vollkommen natürlich – entdeckt er die Welt der Gedichte und schreibt Klavierwerke mit Worten, aus denen dann die Lieder entstehen. Es sind wieder „Kinderszenen“ und „Waldszenen“, aber nun wird daraus „Frauenliebe und Leben“ und „Dichterliebe“. Es ist so ähnlich, dass man sieht, dass diese Werke wirklich nicht voneinander zu trennen sind. Das ist auch bei anderen Komponisten der Fall – wie bei Leos Janácek. Wenn er Worte in seinem „Tagebuch“ setzt, dann sind diese Lieder mit seinen Orchesterwerken und seinen Opern so nahe, dass man erkennt, dass sie alle miteinander verbunden sind. Man kann in den Instrumentalwerken fast die tschechische Sprache hören.

Das vollständige Interview lesen Sie in Ausgabe 5-2014 von PIANONews.

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