Pianonews 02 /2009

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Buddha des Klaviers

Leopold Godowsky

Von: Robert Nemecek


Die Erscheinung Leopold Godowskys markiert in der Geschichte der Klaviermusik nach Franz Liszt einen Gipfel, der bis heute nicht überboten worden ist. So gut wie alle Pianisten des ersten Drittels des 20. Jahrhunderts waren sich darin einig, dass Godowsky über die vollkommenste Technik seiner Zeit verfügte. Harold Bauer nannte ihn „unseren Meister“. Seine Kompositionen, Transkriptionen und nicht zuletzt seine „Studien über die Etüden Chopins“ waren wegen ihrer intrikaten Schwierigkeiten berüchtigt und begründeten seinen Ruf als innovativer Klavierkomponist. Nach Godowskys Tod im Jahre 1938 geriet sein musikalisches Erbe jedoch weitestgehend in Vergessenheit. Mit Ausnahme einiger weniger Pianisten wie Jorge Bolet, Shura Cherkassky und Earl Wild hat die Pianistenzunft sein Werk praktisch ignoriert. Doch die Zeiten haben sich geändert, und dank einer neuen Generation von manuell enorm begabten Pianisten, für die Virtuosität nichts Anrüchiges hat, erlebt auch Godowsky derzeit eine Renaissance, die seine Bedeutung als eine zentrale Gestalt der Klaviermusik der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts ins rechte Licht rückt.


Schon der Werdegang Leopold Godowskys, der 1870 in der nahe bei Vilnius gelegenen Stadt Sozly (damals zu Polen gehörig) geboren wurde, ist ungewöhnlich. Obwohl er in seiner Kindheit keinen geregelten Klavierunterricht erhalten hatte, war er im Alter von gerade mal fünf Jahren imstande, befreundete Musiker bei häuslichen Kammermusikabenden am Klavier zu begleiten. Dass er sich das meiste autodidaktisch angeeignet hat, grenzt an ein Wunder. Mit neun gab er in Vilnius seinen ersten Klavierabend und reiste anschließend als Wunderkind quer durch die Lande. Das Ansinnen des Pflegevaters, eines Geigers namens Louis Passinock, die Begabung des Jungen finanziell auszubeuten, wurde gerade noch rechtzeitig von einem aus Königsberg stammenden Bankier namens Feinburg verhindert. Feinburg bot Passinock an, dem Jungen ein Studium an der Berliner Musikhochschule zu finanzieren, was jener, da er dringend Geld benötigte, kaum ablehnen konnte. Die Aufnahmeprüfung – vor den Prüfern Moritz Moszkowsky, Woldemar Bargiel und Joseph Joachim – bestand der Junge auf Anhieb und kam anschließend in die Klasse von Ernst Rudorff, einem Schüler von Moscheles und Reinecke. Rudorff war zwar kein herausragender Pianist, galt aber als guter Pädagoge. Dennoch hielt es Godowsky bei ihm nicht lange aus. Schon nach drei Monaten verließ er Berlin in Richtung Hamburg. Kurz darauf machte sich die ganze Familie auf den Weg nach Amerika, das mit der Aussicht auf erheblich bessere Verdienstmöglichkeiten lockte. Godowskys Bostoner Debüt am 7. Dezember 1884 wurde von der musikalischen Öffentlichkeit allerdings kaum wahrgenommen. Auch weitere Auftritte im New Yorker Casino und als Duo-Partner des Geigers Ovide Musin an verschiedenen Orten in Nord- und Ost-Amerika blieben ohne nennenswerte Resonanz. Aber da kam ihm schon wieder das Glück zu Hilfe. Als er dem wohlhabenden Tabakproduzenten und Kunstmäzen Leon Saxe vorgestellt wird, findet dieser großes Gefallen an dem hochbegabten Jungen, den er fortan nach Kräften unterstützt. Das Vorhaben, den Sechzehnjährigen zu Altmeister Liszt nach Weimar zu schicken, wird jedoch durch Liszts Tod am 31. Juli 1886 vereitelt. Danach fällt die Wahl auf Saint-Saëns, der als Klaviervirtuose einen hervorragenden Ruf genießt. Er nimmt den jungen Godowsky unter seine Fittiche, obwohl er eigentlich keinen Klavierunterricht gibt. Aber ein so außergewöhnliches Talent will er sich dann doch nicht entgehen lassen.

Vom Saint-Saëns-Protegé zum gefeierten Starpianisten

Drei Jahre lang erschien der junge Eleve jeweils sonntags in Saint-Saëns Pariser Wohnung, um dem berühmten Mann vorzuspielen und seinen Rat einzuholen. Godowsky hat die Bedeutung dieser Stunden für seine Entwicklung später vehement bestritten. Dass der regelmäßige Kontakt mit einer Musikerpersönlichkeit wie Sant-Saëns bei einem Teenager kaum Spuren hinterlassen haben soll, ist allerdings nur wenig glaubwürdig. Außerdem brachte es die Verbindung zu Saint-Saëns mit sich, dass Godowskys Marktwert erheblich stieg. Nach seiner Rückkehr in die USA in den 90ern avancierte er binnen weniger Jahre zu einem gefragten Pianisten und Lehrer. Nacheinander unterrichtete er am New York College of Music, am South Broad Street Conservatory in Philadelphia und seit 1895 als Leiter der Klavierabteilung am Chicagoer Conservatory of Music. Außerdem heiratete er Frieda Saxe, die Tochter seines Gönners (aus der Ehe gingen vier Kinder hervor). Tags drauf nahm er die amerikanische Staatsbürgerschaft an.
In dieser Zeit entstanden auch die ersten Bearbeitungen und „Studien über die Etüden Chopins“, die Godowskys Ruf als innovativen und außerordentlich virtuosen Klavierkomponisten begründeten. Zu seinen Lebzeiten erklangen diese Stücke, die die Grenzen des Spielbaren weit über Liszt hinaus ausdehnen, nur in Interpretationen von Godowsky selbst, seinem Schwiegersohn David Saperton und Vladimir de Pachmann. Der große Durchbruch gelang Godowsky jedoch nicht in den USA, sondern wieder in Europa. Am 6. Dezember 1900 gab er in Berlin ein Konzert, das für Furore sorgte und ihn auf einen Schlag in die erste Pianisten-Liga katapultierte. Noch von seinem Erfolg berauscht, schrieb er an den Musikkritiker W.S.B. Matthews: „Ich kann nicht sagen, wie oft ich nach den Paraphrasen herauskommen musste. Es war nicht zu zählen. Pianisten wie Pachmann, Josef Weiss, Hambourg, Anton Foerster und das ganze Publikum gerieten buchstäblich außer sich. Sie schrien wie die Tiere und wedelten mit Taschentüchern. [...] Glauben Sie mir, ich übertreibe den Erfolg nicht – man kann ihn überhaupt nicht beschreiben.“

Exkurs:Godowskys Perfektion und Vielstimmigkeit

Was aber hatte selbst die größten Pianisten und Kritiker der Zeit an Godowskys Spiel so fasziniert? Große Virtuosen gab es damals mehr als genug: Genannt seien nur Paderewsky, Pachmann, Rosenthal und, nicht zu vergessen, Busoni, der auch noch in der gleichen Stadt wie Godowsky lebte. Aber keiner erreichte eine solche Perfektion, und bei keinem anderen wirkte alles so mühelos und leicht. Zweifellos war er selbst der beste Beleg für die Richtigkeit seiner Lehre von Gewicht, Entspannung und motorischer Ökonomie als Basis allen Klavierspiels. Wegen dieser Entspanntheit, aber auch wegen seiner etwas rundlichen Körpergestalt nannte ihn Harold C. Schonberg den „Buddha des Klaviers“. Was das Publikum aber am meisten verblüffte, war die unerhörte Vielstimmigkeit seines Spiels. Für den berühmten Kritiker James Huneker waren seine zehn Finger „zehn unabhängige Stimmen, die die alte polyphone Kunst der Niederländer wiedererwecken“. Godowsky verfügte außerdem über eine außerordentlich stark entwickelte linke Hand – er wurde von einigen auch „Apostel der linken Hand“ genannt –, mit der er die Bassregion auf unerhörte Weise ins Spiel bringen konnte. Besonders in seinen eigenen Paraphrasen trieb er die Emanzipation der linken Hand auf die Spitze. In der Chopin-Studie Nr. 36 erscheinen die Terzenketten einfach in der linken Hand, und in der Etüde Nr. 47, „Badinage“, erklingen zwei Etüden gleichzeitig: die „Schwarze-Tasten-Etüde“ in der Linken, die Etüde op. 25, 9 in der Rechten. Godowsky fand offenbar großen Gefallen daran, die klanglichen und polyphonen Möglichkeiten des Klaviers mittels solch polyphoner Schelmenstreiche bis ins Extreme auszukosten, und sein Ideenreichtum war unerschöpflich. Etwas Derartiges hatte man bis dahin weder gehört, noch für möglich gehalten.

Berlin – Wien – New York

Nach Godowskys triumphalem Berlin-Debüt verbreitete sich die Nachricht vom neuen Hexenmeister des Klaviers wie ein Lauffeuer in ganz Europa. Noch ganz überwältigt von seinem Erfolg verlegte Godowsky seinen Hauptwohnsitz sogleich in die Reichshauptstadt, von wo aus er seine weltweiten Konzerttourneen unternahm. Sein Repertoire war mittlerweile gewaltig angewachsen, und es wurde von Tag zu Tag größer. Verfolgen lässt sich das anhand der überlieferten Konzertprogramme. Bei seinem Berliner Debüt-Konzert spielte Godowsky die beiden ersten Klavierkonzerte von Brahms und Tschaikowsky(!), sodann sieben seiner Studien über die Etüden von Chopin und seine „Kontrapunktische Paraphrase über Webers Aufforderung zum Tanz“. Zwei Jahre später trat er mit einem wahren Titanen-Programm vor das Londoner Publikum. Es enthielt Schumanns C-Dur-Fantasie, Brahms’ Paganini-Variationen, drei eigene Paraphrasen, Liszts h-Moll-Sonate und dessen Transkription der Tannhäuser-Ouvertüre sowie mehrere kleinformatige Stücke – Zugaben nicht mitgerechnet. Was einem schon beim Lesen den Angstschweiß auf die Stirn treibt, war für Godowsky offenbar ganz normal. 
1909 erhielt er von der berühmten Kaiserlichen Akademie für Musik Wien das Angebot, als Nachfolger von Busoni den Direktorenposten der Akademie zu übernehmen. Da man ein solches Angebot nur einmal im Leben erhält, sagte Godowsky zu, wobei er den Wienern sogar die Bedingungen diktieren konnte. Die folgenden fünf Wiener Jahre gehören zu den glücklichsten und aktivsten seines Lebens. Er konzertierte ausgiebig (zweimal im Jahr auch in den USA), unterrichtete (u. a. Jan Smeterlin, Heinrich Neuhaus und Walter Rummel), ließ sich von Strauß-Walzern und Operetten zu seinen aberwitzigen Paraphrasen und Metamorphosen anregen und hatte darüber hinaus noch genügend Zeit, um ein reges gesellschaftliches Leben zu führen. Im Hause Godowsky ging die gesamte Kulturelite Europas ein und aus, wobei der Hausherr, von seinen Freunden liebevoll „Popsy“ genannt, seine Rolle als mal geistvoll parlierender, mal genial Klavier spielender Gastgeber sichtlich genoss. Im Juli 1914 wurde die Idylle allerdings vom Kanonendonner des beginnenden 1. Weltkriegs brutal gestört. Godowsky, der zu jener Zeit an der belgischen Küste weilte, begriff sofort den Ernst der Lage und bestieg mit seiner Frau und den Kindern das letzte Schiff nach England, um von dort aus über den Atlantik nach New York zu gelangen. Er blieb für den Rest seines Lebens in seiner Wahlheimat Amerika.
Nachdem sich die Godowskys in New York niedergelassen hatten, wurde ihr Domizil gleich wieder zu einem beliebten Treffpunkt für jedermann. Der Pianist und Musikwissenschaftler Abram Chasins, der bei Godowskys des Öfteren zu Gast war, hat das einmal sehr plastisch beschrieben: „Popsy liebte Menschen, und er liebte es, von ihnen umgeben zu sein. Wenn er jemanden ‚zu einem kleinen Plausch und ein bißchen Musik‘ einlud, dann konnte es passieren, dass man mit zwanzig Leuten zusammentraf, die sich ebenfalls dort einfanden. Und das waren nicht nur Musiker, sondern beispielsweise sein musikliebender Schneider oder Metzger oder auch Albert Einstein oder Edward G. Robinson. Jedermann wurde mit der gleichen Ungezwungenheit und Großzügigkeit behandelt.“ Höhepunkt des geselligen Zusammentreffens war aber stets jener Moment, da sich Popsy selbst ans Klavier setzte und loslegte. Alle, die ihn bei einer solchen Gelegenheit gehört hatten, behaupteten später übereinstimmend, Godowsky sei bei sich zu Hause ein viel besserer Pianist gewesen als im öffentlichen Konzert. Sogar Josef Hofmann, ein guter Freund Godowskys und selbst einer der größten Pianisten seiner Zeit, vertrat diese Ansicht. Nachdem Godowsky seinen Gästen wieder einmal etwas vorgespielt hatte, trug Hofmann einem seiner Schüler auf, nie zu vergessen, was der gerade gehört hatte: „Verliere diesen Ton nie aus dem Gedächtnis. Den gibt es nicht noch einmal. Es ist tragisch, dass das Publikum niemals gehört hat, wie Popsy wirklich spielen kann.“
Aber das Publikum muss Godowsky auch als Konzertpianisten außerordentlich geschätzt haben. Sonst hätte er es wohl kaum geschafft, über Jahrzehnte zu den gefragtesten und bestbezahlten Pianisten der Welt zu gehören. In den 20er Jahren war er sogar einer der reisefreudigsten. 1921/22 bereiste Godowsky Südamerika und im Jahr darauf China sowie Java, wo ihn die einheimische Gamelan-Musik zur Komposition der „Java-Suite“ anregte, eines seiner inspiriertesten Originalwerke. In den folgenden Jahren führten ihn seine Reisen sowohl in den Nahen Osten als auch nach Europa, wo er zum ersten Mal seit dem Krieg auch wieder in Deutschland auftrat. Auch kompositorisch war dies eine fruchtbare Zeit. Zwischen 1924 und 1928 schrieb Godowsky einige seiner besten Bach- und Schubert-Transkriptionen sowie die Passacaglia über das Hauptthema der „Unvollendeten“. Sie zählt zweifellos zu den großen Meisterwerken der Klaviermusik nach 1900.

Tragische Wendung und Tod

Nach dreißig Jahren Erfolg wendete sich 1929 plötzlich das Blatt. Von da an war Godowskys Leben überschattet von tragischen Ereignissen, Depression und Selbstzweifeln, die ihm das Leben zunehmend schwer machten. Der Wall-Street-Crash von 1929 vernichtete einen Großteil seines Vermögens und trieb ihn fast in den Ruin. Kurz darauf erlitt er nach einer Aufnahmesitzung in London einen Schlaganfall, der seine rechte Hand lähmte und damit das Ende seiner Karriere besiegelte. Noch mehr belastete ihn das Schicksal seines jüngsten Sohnes Gordon, der im Dezember 1932 Selbstmord beging. Im Jahr darauf musste er für immer von seiner geliebten Frau Abschied nehmen, die nach einem Herzinfarkt aus dem Leben schied. Danach blieben Godowsky noch fünf Jahre, die er mit Kuren, häuslichem Klavierspiel, Unterrichten und Plänen zu einer „Welt-Synode der Musik und der Musiker“ verbrachte. Am 21. November 1938 starb er im Alter von 68 Jahren an Magenkrebs. Zur Bestattungszeremonie fanden sich mehr als zweihundert Menschen ein, um dem großen Pianisten das letzte Geleit zu geben. Er wurde auf dem Mount Hope Friedhof, Long Island, New York, beerdigt.
Fünf Jahre vor seinem Tod hatte Godowsky in einer Mischung aus Bitterkeit und Stolz seiner Frau die folgenden Zeilen geschrieben: „Ich habe ehrlich und mit den höchsten Idealen für meine Kunst und mein geliebtes Instrument gearbeitet. Dabei habe ich auf meinem Feld mehr geleistet als meine Kollegen. Aber nur Wenige haben die Bedeutung meines Lebens erkannt. Wenn ich nur noch als Erinnerung existiere, werden meine Werke und mein Einfluss zu leben beginnen.“
Prophetische Worte, die sich mittlerweile bewahrheitet haben. Immer mehr Pianisten – allen voran Marc-André Hamelin und Konstantin Scherbakov – entdecken die Klaviermusik Leopold Godowskys, dessen Kompositionen und Bearbeitungen gewissermaßen aus dem Geist des Klaviers heraus geschaffen sind. Da die pianistischen Mittel Godowskys mittlerweile zur Grundausstattung eines jedes Pianisten gehören, der es ernst mit seiner Profession meint, wird Godowskys Klaviermusik – diese These sei gewagt – in naher Zukunft sicher zum pianistischen Standardrepertoire gehören wie Beethoven, Liszt und Brahms.

Godowskys klingendes Vermächtnis

Pianisten, die sich mit Godowskys Musik befassen, sollten sich in jedem Falle auch mit den originalen Tondokumenten (Rollenwalzen und akustischen Aufnahmen) auseinandersetzen. Sie bilden einen wichtigen Teil des musikalischen Erbes und liegen mittlerweile in sehr sorgfältig aufbereiteten CD-Editionen vor (vor allem Marston-Records und apr). Insgesamt bilden diese Aufnahmen nur einen Bruchteil von Godowskys Repertoire ab, aber sie spiegeln seine Vorlieben durchaus getreu wider. Chopin steht eindeutig im Zentrum. Danach kommen Liszt, Schumann, Mendelssohn, Beethoven und natürlich auch Godowsky selbst, der mit kleinen Eigenkompositionen und Transkriptionen zu hören ist. Darüber hinaus nimmt Salonmusik von Komponisten wie Rubinstein, Schütt oder Zeckwer breiten Raum ein, was durchaus typisch für die Zeit ist.
Der dokumentarische Wert der akustischen Aufnahmen (zwischen 1913 und 1936) ist sicher höher zu bewerten als der der Rollenaufnahmen. Allerdings hinterlassen sie teilweise einen zwiespältigen Eindruck. Godowsky empfand die Aufnahmesitzungen im Studio nach eigener Aussage als „schreckliche Qual“, und leider hört man das manchmal auch. Liszts „Gnomenreigen“ (1914) wirkt da seltsam angespannt, und Sindings nicht übermäßig schweres „Frühlingsrauschen“ (1914) ist nicht einmal im rein technischen Sinne ganz makellos. Vermutlich hat man diese Einspielung genau aus diesem Grunde einst unveröffentlicht gelassen. Die besten Aufnahmen stammen aus der Zeit zwischen 1926 und 1930. Godowsky scheint sich da an die Studioatmosphäre gewöhnt zu haben, spielt wesentlich gelöster, sinnlicher und auch sicherer. Edward Griegs g-Moll-Ballade (von 1929) und Chopins 4. Scherzo (1930) sind in ihrer Verbindung aus Eleganz, Perfektion und Leidenschaft wahre Glanzstücke virtuosen Klavierspiels. Es ist gewiss tragisch zu nennen, dass dieser großartige Pianist genau in dem Moment jegliche Aufnahmetätigkeit beenden musste, da er sich den Reproduktionsbedingungen gewachsen fühlte. Eine Aufnahme aus der Zeit danach gibt es aber doch. Sie ist privaten Ursprungs und dokumentiert Godowskys Interpretation des ersten Satzes seiner Java-Suite: „Der Garten von Buitenzorg“. So dürfen wir, wenn auch nur für ganze drei Minuten, doch noch den wahren, den goldenen Godowsky-Ton hören, den wir gewiss nie wieder vergessen werden.

 

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