Pianonews 05 / 2005

Neue Klangerlebnisse mit Flügeln aus Australien

Stuart & Sons

 

Von: Carsten Dürer


Es hört sich ein wenig wie eine moderne Erfolgsgeschichte an, die es in dieser Art nur selten im Bereich der Klavierbauer gibt. Und dennoch fühlt man sich an beispielsweise die Erfolgsgeschichte des italienischen Herstellers Fazioli erinnert, oder an den französischen Privatier Stephen Paulello, der seit etlichen Jahren vollkommen selbstständig Flügel baut und nun langsam in eine kleine Serienproduktion einsteigt. Doch das sind Beispiele von enthusiastischen Klavierbauern, die aus dem Umfeld der Klavierbautradition des europäischen Kontinents stammen. Doch ein Klavierbauer aus Australien? Und ob. Dort hat sich vor etlichen Jahren der Enthusiast Wayne Stuart daran gemacht, die Geheimnisse des Klavierbaus zu erlernen und weiter zu entwickeln. Mit seinen zwei Flügelmodellen 220 und 290, die nun von Hurstwood Farm Pianos in England auch in Europa angeboten werden, stellt er die Ergebnisse nun auch in den Traditionsländern des Klavierbaus vor. Und die Ergebnisse sollten alle Klavierenthusiasten und die Klavierbaubranche aufhorchen lassen.



Die Hurstwood Farm liegt im idyllischen Kent, nördlich von London, nicht mehr als 30 Minuten von der englischen Metropole entfernt. Der Inhaber, Richard Dain, begann hier vor 12 Jahren einen exklusiven Klavierfachhandel – mit viel Erfolg. Vor vier Jahren wurde er auf den ersten Stuart & Sons-Flügel in Europa aufmerksam gemacht, der in einer Hochschule im Norden von England stand. Er reiste sofort dorthin, um sich das Instrument anzuhören, es anzuspielen und anzusehen. Faszination war das Ergebnis, denn hier hatte nicht nur ein Verrückter einen neuen Flügel gebaut, sondern aus Unzufriedenheit mit der Innovationsunlust vieler Klavierhersteller ein vollkommen eigenständiges Instrument mit zahlreichen Innovationen gebaut.

Die Geschichte hinter Stuart & Sons

Wayne Stuart wuchs auf einer Farm im nördlichen Tasmanien auf. Als er erstmals mit einem traditionellen Klavier in Kontakt kommt, ist er sofort fasziniert von dem Instrument und seinen Möglichkeiten und gründet eine Band, die in allen Dorfhallen zum Tanz aufspielt. Da ist es klar, dass Wayne Stuart als der Klavierspieler der Band oftmals an Instrumente gerät, die zum Teil nur noch ein Schatten ihrer selbst sind. Doch Stuart ist auch handwerklich begabt und so erlernt er schnell – aus der Not, überhaupt auf diesen Instrumenten spielen zu können – wie er diese reparieren kann. Schnell entwickelte sich in seinem Kopf der Wunsch, selbst Klaviere zu bauen. Doch zu dieser Zeit war der letzte Klavierhersteller, bei dem man noch arbeiten konnte, im weit entfernten Sydney beheimatet und so unbekannt, dass Stuart niemals von ihm gehört hatte. So kam es, dass er von der Zusammenarbeit zwischen Yamaha und dem Conservatorium of Music in Sydney hörte, das es Studenten erlaubte, mehr über den Klavierbau zu lernen. Doch für den bereits vorgeprägten Stuart kam es noch besser, denn er wurde nach diesem Intensivkurs für ein Jahr in die Fabrik nach Hamamatsu geschickt, um dort den Klavierbau zu erlernen. 1976 kehrte er nach Australien zurück und übernahm sogleich die Leitung des Programms für Klavierbau am Konservatorium von Sydney. Doch nach drei Jahren erkannte er, dass er nicht nur die moderne Art, Klaviere zu bauen – wie es in Japan der Fall war – kennen lernen sollte, sondern auch den traditionellen Klavierbau in Europa. So ging er bei den bekanntesten deutschen Klavierherstellern noch einmal weitere drei Jahre in die Lehre – und musste erkennen, dass zu diesem Zeitpunkt nur wenig Interesse an den Ideen und der Arbeit der Japaner bestand; ein Fehler, wie er dachte.

Als er 1980 wieder in Australien ankommt, erneuert er mit seinem gewonnenen Wissen den Klavierbaukurs am Konservatorium zu einem zweijährigen Kurs mit Diplom. Nach kurzer Zeit wurde dieser Ausbildungsgang dem technischen Ausbildungssystem in Melbourne angegliedert. Und so stehen Stuart auf einmal die Möglichkeiten zur Verfügung, in der Verbindung von Forschung und Lehre ein Forschungsprojekt zu entwickeln, mit der Zielsetzung, ein neues Instrument im Bereich Klavier zu realisieren, das die Traditionen auf der einen Seite mit dem Wissen der modernen Technologien auf der anderen Seite in Einklang bringt. Unter anderem sind die Zielrichtungen die schnellere Ansprache des Klangs sowie eine größere Klarheit des Tons und eine längere Klangdauer nach dem Anschlag.

Mittlerweile war das Forschungsprojekt an die University of Newcastle und dort in den Fachbereich der Musik eingegangen. In Newcastle, einem 150 Kilometer nördlich von Sydney gelegenen Ort, gründete Wayne Stuart dann im Jahre 2000 eine kleine Firma, um Klaviere zu bauen. Doch allein kann man solch ein Vorhaben nur schwerlich stemmen. Und so kam Stuart mit J. Albert & Son zusammen, dem ältesten unabhängigen Musikverlag Australiens. Gemeinsam gründete man die Piano Australia Limited, um zwei unterschiedliche Modelle zu bauen, einen 220 cm langen Kammerkonzertflügel und einen 290 cm langen Konzertflügel. Wayne Stuart und zwei seiner Söhne bauen die Flügel exklusiv und individuell. Insgesamt baut man bei Stuart & Sons momentan nicht mehr als 12 Flügel pro Jahr. Kein Wunder, denn der Aufwand ist immens. Davon wollten wir uns selbst überzeugen und fuhren in die englische Grafschaft Kent, um bei Hurstwood Pianos die beiden unterschiedlichen Modelle in Augen- und Ohrenschein zu nehmen.

Die Stuart & Sons-Flügel

Als Erstes fällt auf, dass die Flügel wunderschön sind, nicht nur auf den ersten Blick, sondern von jeglichem Blickwinkel aus. Selbst im Innern, selbst unterhalb der Klaviatur zeigen sich Feinheiten der Verarbeitung, die direkt erkennen lassen: Hier ist jemand am Werk, dem es nicht allein um den exzellenten Klang, sondern um ein handwerkliches Gesamtkunstwerk geht. Der Stuart & Sons 290 fällt direkt ins Auge, wurde dieses Exemplar doch mit Huon Pinienholz-Furnier gearbeitet, dessen Honigfarbe einen immensen Eindruck auf diesem riesigen Instrument macht. Dieses besondere Holz aus Australien, das älter als 2000 Jahre ist, hat für Wayne Stuart – wie bei allen seinen Überlegungen – nicht nur optische Reize, sondern soll auch die klanglichen Eigenschaften unterstützen. Es ist extrem hartes Holz, wurde auf der Zarge des Flügels in mehreren Schichten aufgebracht, innen wie außen. So versucht er die Schwingungen des Flügels selbst noch stärker zu begrenzen, als dies die massive Bauweise allein schon erkennen lässt. Überhaupt ist die Auswahl des Holzes für Wayne Stuart eine wichtige Grundlage für beste Klangqualität. Und so legt er Wert auf lange abgelagertes und luftgetrocknetes Holz, so wie es vor vielen Jahrzehnten im Klavierbau üblich war, während heute aufgrund verkürzter Produktionszeiten immer stärker mit Klimakammern der Alterungsprozess des Holzes künstlich beschleunigt wird. So werden beispielsweise die Resonanzböden für die Stuart & Sons-Flügel aus King William Fichtenholz gearbeitet, einem über 1000 Jahre alten Baum aus Tasmanien. Und auch das Modell 220 zeigt sich hier in besonderer Optik: Rotes Zedernholz aus Australien ist bei ihm das seidenmatt lackierte Finish. Doch dies sind nur Beispiele, denn Stuart legt Wert darauf, dass jeder, der einen seiner Flügel kauft, sein individuelles Instrument erhält. Und so will er seinen Kunden vermitteln, dass sie nicht nur einen hervorragenden Flügel erhalten, sondern ein exklusives Instrument.

Allein ein Blick auf den Stuhlboden (den Teil des Flügels, der sich unterhalb der Mechanik befindet) lässt die handwerkliche Feinarbeit erkennen: Nicht nur glatt, sondern auch mit Holz furniert zeigt dieser sich.

Die technischen Neuheiten

Ein Blick in das Innere des Flügels lässt sehr schnell erkennen, dass es ein besonderes Instrument ist. Der nach neuesten Forschungsergebnissen und Computermessungen entworfene Gussrahmen hat kein Gramm zu viel. Er wirkt elegant und schlicht. Dennoch erkennt man leicht – vor allem in der Nahtstelle von Bass- zu Mittellage – dass er so stabil entworfen wurde, dass er den Saitenspannungen von mehr als 20 Tonnen leicht standhält. Die Mechanik ist ebenfalls eine selbst entworfene und zeigt beim genauen Blick, dass Stuart in einigen Teilen dieser mit Magneten arbeitet, die die schnelle Ansprache und die wiederum schnelle Freigabe des Hammers für ein erneutes Anschlagen bestens gewährleisten. Der Flügel ist leicht zu spielen und spricht extrem schnell an. Was zudem sogleich auffällt: die Farbe der Basssaiten. Entgegen anderen Herstellern, die die Basssaiten mit Kupferdraht umspinnen (der Kern der Saiten besteht immer aus Stahl), zeigen sich die Saiten im Stuart-Flügel mit rostfreiem Stahl umwickelt. Warum? Nun, diese Saiten bringen einen direkteren, einen knackigeren Bass zur Geltung. Das wissen auch andere Klavierhersteller, nur die Herstellung solcher Saiten ist extrem aufwendig und daher teuer. Überhaupt sind die Arbeitsgänge, die sich hier als bereits ausgeführtes Instrument zeigen, extrem aufwendig – und zeugen zudem von großartigem bauhandwerklichem Können.

Doch die wirkliche Besonderheit im Instrument ist die Ausarbeitung des Steges, über den die Saiten laufen, um ihre Schwingungen auf den Resonanzboden zu übertragen. Leicht und schmal zeigt sich der Steg bei dem Stuart-Flügel. Doch dies allein ist nicht das Besondere, sondern die Saitenführung auf dem Steg. Wird normalerweise die Saite an zwei Stegstiften mit einem leichten Knick über den Steg geführt, so laufen die Saiten im Stuart-Flügel absolut gerade über diesen. Der Druck wird also nicht durch horizontalen Druck auf den Steg ausgeübt, sondern durch einen vertikalen. Die mit dem Hammer im Flügel angeregte Saite schwingt selbstverständlich erst einmal vertikal. Durch die normale Führung über die Stegstifte wird sie dazu verurteilt, auch horizontal zu schwingen und damit den Resonanzboden nicht mehr direkt anzuregen. Ein kreisförmiges Schwingen der Saite ist die Folge. Dies wollte Stuart ausmerzen. Er führt die Saite nicht durch eine normale Agraffe, sondern direkt auf den Steg, wo der Druck auf diesen durch eine spezielle Vorrichtung erfolgt, die Stuart Agraffe. Zudem sind die Saiten alle einzeln nicht nur am Stimmstock aufgehängt, sondern auch an der anderen Saite. Und dort sind die Saiten zudem in Stiften gehalten, die eine weitere, eine genauere Stimmung ermöglichen. Wie gut dies funktioniert, wie gut die Stimmung hält, beweist allein die Tatsache, dass die beiden aus Australien nach England auf die Hurstwood Farm entsandten Flügel selbst nach der Reise und dem so anderen Klima der beiden Länder sofort angespielt werden konnten, ohne dass die Stimmung nachreguliert werden musste.

Eine weitere Innovation: das vierte Pedal. Auch bei dem großen Fazioli-Flügel von 308 cm Länge kennt man ein viertes Pedal, das ein halbes Dämpfungspedal für noch exakteres Spiel im Pianissimo ermöglichen soll. Bei Stuart steckt hinter dem vierten, links außen angebrachten Pedal eine ähnliche, aber vollkommen anders verarbeitete Idee. Um den Klang zu verändern und das Pianissimo-Spiel zu erleichtern, wird bei Stuart die gesamte Mechanik den Saiten näher gebracht, so dass der Anschlagweg zur Saite verkürzt wird. Doch damit sich dabei das Spielgefühl nicht ändert, wird die gesamte Klaviatur ebenfalls gesenkt, so dass die Spieltiefe erhalten bleibt. Das Ergebnis ist beachtlich. Sensibel man dieses Pedal einsetzen, gemeinsam mit dem üblichen Piano-Pedal kann einen fast verdoppelten Effekt erreichen, der das Piano-Spiel zu einem ausgefeilten Effekt werden lassen kann. Allerdings benötigt man schmale Schuhe, will man nur eines der Pedale mit dem linken Fuß treten ...

Auch ein Blick auf die Lyra des Flügels lohnt sich, denn sie ist nicht über Streben nach hinten abgestützt, sondern so massiv gearbeitet und an den Flügel gebracht, dass sie sich keinen Millimeter bewegt.

Der Klang

Das Ergebnis dieser durch Forschung ermittelten und durch handwerkliches Können ausgearbeiteten Innovationen lässt sich dann auch hören. Der Konzertflügel mit 290 cm Länge ist immens, voluminös. Und sogleich stellt man sich vor, dass dieser Flügel in einen großen Saal gehört, einen, den es mit Klang, mit Direktheit zu füllen gilt. Denn der Klang ist immens direkt, hat keine Ecken und Kanten, sondern ist immens klar und kommt unvermittelt aus dem Instrument. Die Stahlumwicklung der Stahlsaiten produziert einen großen kraftvollen Bass, den es zu beherrschen gilt, auch wenn er niemals muffig oder etwa schrill wird. Durch das direkte Reagieren dieses Instruments auf ein kraftvolles Spiel denkt man zuerst, dass dieser Flügel Probleme des zarten Klangs haben könnte. Doch weit gefehlt, auch im Pianissimo ist der Klang noch voll und satt, so wie es sein sollte.

Der 220 cm lange Flügel ist anders. Zum einen erstaunt für einen Flügel seiner Größe noch mehr das Klangvolumen als bei dem großen Bruder, aber er wirkt in seiner Klangeigenschaft denn auch ein wenig steriler. Hier braucht es einen Könner, der das Instrument beherrscht.

Die Preise

Wie schon erwähnt, sind die Ausführung und die handwerkliche Feinarbeit mit den hochwertigsten Materialien und der langen Ausarbeitungszeit sowie die Individualität dieser Flügelmodelle einmalig. Und das hat natürlich auch seinen Preis. Mit einer zum Flügel und seinem Finish passenden Klavierbank kostet das Modell 290 EUR 141.500,- und das Modell 220 cm EUR 97.000,-. Teurer als andere Instrumente, aber auch exklusiver – und moderner. Der Klang ist einmalig, eigentlich nur schwer mit dem eines anderen Flügels zu vergleichen. Optisch lassen diese Instrumente aber die anderen Hersteller leicht hinter sich.

Mittlerweile wurden mehrere CD-Einspielungen speziell mit diesem Flügel von australischen Pianisten auf den Markt gebracht, in denen sich der grandiose Klang dieses Flügels widerspiegelt. Und dadurch, dass auf der Hurstwood Farm in England etliche Pianisten Gelegenheit haben werden, diese Flügel anzuspielen, werden sicherlich auch bald weitere in Europa folgen. Und wer Interesse daran hat, einmal einen dieser Flügel unter seine Finger zu nehmen, ist willkommen auf der Hurstwood Piano Farm, wie uns Richard Dain bestätigt. Hier kann er dann auch einen direkten Vergleich mit den großen Flügeln von Steinway & Sons und Bösendorfer herbeiführen, die auch im Ausstellungsraum bereitstehen. Auf die Frage, was denn passiert, wenn diese Instrumente sich nun zu gut verkaufen, aber Stuart & Sons nur 12 Stück pro Jahr baut, antwortet Richard Dain, dass er mit Wayne Stuart dann in jedem Fall einen exklusiven Hersteller für diese Klaviere in Europa suchen wird.

Eines ist sicher: Ein Besuch in der Grafschaft Kent lohnt sich, will man einen Flügel spielen, der sich so anfühlt, so aussieht und so klingt, als wäre er speziell auf die Anforderungen des 21. Jahrhunderts hin gebaut.

Kontakt:

Hurstwood Farm Piano Studios
The Hurst Crouch, Borough Green, Sevenoaks
GB - Kent TNIS 8TA
Tel.: +44 (0)1732 88 50 50
Fax: +44 (0)1732 88 30 30
E-Mail: Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!
www.stuartandsons.com

Bestellen

Bestellen Sie sich die Printausgabe der PIANONews ins Haus. Als Abonnement für 6 Ausgaben oder auch als Einzelhefte.

Abonnement Einzelheft

ePapers

Lesen Sie die PIANONews gleich hier und jetzt online. Im 6er Abonnement oder als Einzelexemplar.

ePaper kaufen Infos

Newsletter abonnieren!

Emailaddresse:


Wir benutzen Cookies

Wir nutzen Cookies auf unserer Website. Einige von ihnen sind essenziell für den Betrieb der Seite, während andere uns helfen, diese Website und die Nutzererfahrung zu verbessern (Tracking Cookies). Sie können selbst entscheiden, ob Sie die Cookies zulassen möchten. Bitte beachten Sie, dass bei einer Ablehnung womöglich nicht mehr alle Funktionalitäten der Seite zur Verfügung stehen.